19.10.2011

Homevideo (2010) [Review]

Homevideo (2010)
Das Erste zeigte heute am 19.10.11 das deutsche Drama "Homevideo". Normalerweise mache ich einen Bogen um deutsche Filme, speziell wenn es sich um Dramen handelt und noch dazu spezielle Filme für's Fernsehen. Gute deutsche Filme die ich kenne kann ich an 2 Händen aufzählen und "Homevideo" ist ganz sicher kein "Das Boot" oder Ähnliches, aber aus dem grauen Meer der deutschen Filmproduktionen die voller o8/15-Kacke und ausgelutschten Familienproblemen besteht sticht "Homevideo" auf jedenfall hervor.

Es geht um den 15-jährigen Jungen Jacob Moormann. Eigentlich ein normaler Junge. Geht auf's Gymnasium, hat aber nicht die besten Noten. Ist ein wenig schüchtern und traut sich nicht seine große Liebe anzusprechen, hat aber seine Gruppe an Kumpels.
Irgendwann schafft er es dann eine Beziehung zu seinem Schwarm herzustellen.
Eines Tages (aus unerklärlichen Gründen) dreht er ein Video, dass niemand sehen sollte, doch ünglücklicherweise gerät die Chipkarte mit dem Video in die falschen Hände und schon bald befindet sich das Homevideo im Netz.
Er wird zum Mobbingopfer Nr. 1 an seiner gesamten Schule, seine "Freundin" weiß nicht was sie von ihm halten soll und zu allem Überfluss trennen sich auch noch seine Eltern.

Ja, Familienprobleme und erste Erfahrungen mit Freundinnen sind sehr beliebt in der deutschen Dramen-Szene. Außerdem ist Cybermobbing in den letzten Jahren sehr beliebt geworden und wurde auch schon einige Male in Filmen thematisiert. Daher dachte ich zu aller erst, dass es sich hierbei tatsächlich mal wieder um eines dieser durchschnittlichen Filme ist, der so interessant ist wie ein Ball der so oft hin- und hergeschossen wurde, bis er kaputt ging.
Der Charakter des schüchternden, verwirrten Jugendlichen wurde auch schon etliche male verkörpert, aber es war auf jedenfall eine gute Darstellung. Der Vater von Jacob Moormann, gespielt von Wotan Wilke Möhring (Operation Walküre) - der vom Aussehen her sehr dem Ex-Profi-Skater Tony Hawk ähnelte - war sehr realistisch. Er war spürbar selbst überfordert mit der Situation, doch versuchte sein bestes um Jacob zu helfen. Dabei wechselt er von Wut, über Verzweiflung bis hin zu Optimismus und bringt alles gut rüber.
Abgesehen von den guten schauspielerischen Leistungen waren es außerdem die kleinen Twists die den Film halfen vom Rest abzuheben. Außerdem schaffte es der Film (zumindest größtenteils) sehr realistische Dialoge gut rüberzubringen. Und noch viel wichtiger auch ausschlaggebende Taten folgen zu lassen. Viele deutsche Filme sind voller unglaubhafter Dialoge, die sich alles andere als eine echte spontane Unterhaltung anhören und leiden an tatsächlichen Taten. In "Homevideo" gibt es jedenfalls eine gute Mischung aus Dialogen und tatsächliche Geschehnissen.
Ich hätte allerdings sehr gerne mehr vom Täter selber gesehen. Ziemlich bald sieht man von ihm nämlich nur noch wenig und wenn doch, dann hat er kaum Text. Man konnte nie wirklich sicher gehen, ob es ihm hinterher doch leid tat und er es bereut oder ob es ihm total egal ist. Es gab da vielleicht die ein oder andere Andeutung, aber mir war das nicht genug. Vielleicht wurde es mit Absicht offen gelassen für eigene Interpretation, aber ich hätte trotzdem lieber mehr gesehen.

[Spoiler Anfang!]Das Ende ist nicht von vorneherein 100% zu erwarten. Ich selber war mir bis zum Ende hin nicht sicher, was nun geschieht. Ich bin mir dennoch nicht sicher, ob das Ende so eine gute Wahl war. Es war auf jedenfall sehr stimmig, doch hätte man sogar wenigstens ein halbes Happy End machen können; das wäre für manche vielleicht verträglicher gewesen.
Bis zum Ende hin erinnerte mich der Film auch ein wenig an "Ben X", in dem es um einen soziopathischen Jugendlichen geht, der auch gemobbt wird und am Ende entscheidet seinen Selbstmord zu faken und ein neues Leben anzufangen. "Homevideo" ist in der Beziehung härter.[Spoiler Ende!]

Also eins ist klar, "Homevideo" ist gewissermaßen rücksichtslos hart und das macht es nur noch realistischer.
Es ist ein überraschend gutes deutsches Drama und ich bin froh mal wieder was Gutes aus meinem Heimatland gesehen zu haben. Es sticht sehr aus dem Einheitsbrei der deutschen Filmkunst heraus. Nochmal würde ich "Homevideo" wahrscheinlich nicht sehen, aber es ist sehr zu empfehlen zum einmaligen Ansehen.

Ich vergebe 7 von 10 Videokameras!

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